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eOps

Ein Essay von Andreas Ritter, 2018

Thema Nummer eins fast aller Branchen ist derzeit (dieser Text entstand 2018) die „Digitalisierung“. Gemeint ist damit eine tiefgreifende und wohl dauerhafte Veränderung von Arbeitsprozessen und Lebensgewohnheiten, durch Nutzung moderner informationstechnischer Möglichkeiten.

Digitalisierung wird im Flugbetrieb einer Airline Gruppe mit verschiedenen Begriffen verbunden, z.B.: Connectivity, eEnabling, eOps, EFB, CMD. Digitalisierung im Flugbetrieb ist weder Zukunft, noch Vergangenheit, sie findet gerade statt – wir sind mittendrin. Dieser Artikel möchte aktuelle Digitalisierungsaktivitäten im Cockpit einer Airline für Externe erlebbar machen.

Eine Airline baut keine Flugzeuge, sondern fliegt sie. Früher flog man sie nach selbst erstellten Verfahren, heute fliegt man nach Verfahren des Flugzeugherstellers. Das Umdenken entsprang der Einsicht, dass man es selbst nicht besser weiß, als der Hersteller bzw. als die Gemeinschaft der Airlines, die ihre Erfahrungen mit dem Flugzeughersteller teilen. Dabei zieht man aber eine Grenze und die läuft mitten durch die Operation. So setzt man nicht überall auf Verfahren und Systeme der Flugzeughersteller und diese bieten auch nicht für alle Bereiche der Flight Ops etwas an. Jede Airline setzt auf einen Mix von Tools des Flugzeugherstellers, Tools anderer Provider und eigenen Tools. Im Vergleich zu anderen Airlines setzt die hier beispielhaft präsentierte Airline dabei häufiger auf eigene Tools. Deren Zusammenspiel im Cockpit ist Schwerpunkt dieses Artikels.

Das Cockpit einer 787, 777-9 oder A350 wird von fünf bzw. sechs großen Screens dominiert:

Cockpitfoto A350
Die 6 großen Screens einer A350. Auf den äußeren Screens werden Informationen der Airline angezeigt.

Auf mindestens zweien davon werden Informationen angezeigt, die von IT-Systemen der Airline und nicht dem Flugzeug erzeugt wurden, z.B. Flugplan, Navigations- und Wetterkarten, Wettermeldungen, Passagierlisten, Nachrichten von Mission Support, Handbücher oder Performance Daten. Die früher etwa 40 kg Papier im Cockpit wurden mittlerweile auf ca. 1 kg reduziert. Auch der Cockpit Drucker wird weniger genutzt als früher. An der vollständigen Eliminierung des Papiers wird in laufenden Projekten wie elektronisches Technisches Logbook gearbeitet. Das ist kein Selbstzweck; jedes Projekt muss für sich wirtschaftlich oder betrieblich notwendig sein und so ist es auch nicht sicher, ob ein zu 100% papierloses Cockpit bei jeder Airline kurzfristig sinnvoll ist.

Ziel vieler Digitalisierungsprojekte im Flugbetrieb ist die Senkung flugoperativer Kosten. Treibstoff, Personal, Gebühren, Flugzeugverbrauch, Wartung, Delay, Cancellations, Diversions – alle großen Kostenblöcke werden angegangen. Auch eine Erhöhung der Sicherheit, z.B. durch bessere Wetter-Informationen, dient letztendlich der Wirtschaftlichkeit, denn Unfälle sind teuer.

Im Zentrum vieler Digitalisierungsprojekte im Flugbetrieb steht der Pilot. Er ist unser wichtigster Kunde. Wir wollen, dass er seine Informationsbedürfnisse schnell und einfach selbst erfüllen kann und bei seinen Pflichten durch die flugbetriebliche IT bestmöglich unterstützt wird. Wir bieten ihm keinen full service, keinen jederzeit verfügbaren menschlichen Assistenten, der Wünsche von den Augen abliest, sondern Informationsdienste, die ihm ermöglichen, sich alle gewünschten Informationen möglichst effizient selbst zu beschaffen. Wir glauben, dass ein Pilot, dem Informationen nicht auf Basis von need-to-know, sondern unbeschränkt und priorisiert verfügbar gemacht werden, bessere Entscheidungen trifft und so die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens verbessert.

Alle Arbeitnehmer benötigen an ihrem Arbeitsplatz Informationen zur Ausführung ihrer Arbeit. Einer der Faktoren, der den Arbeitsplatz des Piloten speziell macht, ist der Faktor Zeit. Manche Entscheidungen müssen in Sekundenbruchteilen gefällt werden, z.B. die Entscheidung zum Startabbruch. Piloten treffen sie anhand von Informationen, die sie vorab aufgerufen und mental abgespeichert haben. Für andere Informationsabrufe hat man vielleicht ein paar Sekunden, aber eben auch nicht mehr. Auf die Entscheidungen der Piloten, ob man von der angebotenen Intersection starten oder auf der angebotenen kürzeren Landebahn landen möchte, wartet der Tower nur ein paar Sekunden. Flugbetriebliche Einsparungen lassen sich hier nur realisieren, wenn Informationen schnell verfügbar sind. Manchmal hat man Minuten, aber Fragestellungen und die Konsolidierung der Informationen und Entscheidungsfindung sind oft komplex. Z.B. die Entscheidung wieviel zusätzlichen Treibstoff man einplanen oder welchen Flughafen man nach Auftreten eines medizinischen Notfalls anfliegen sollte.

Jeder Flug verläuft nach einem festen Schema, Normal Operation, genannt. Eine Kette von Aktionen, items genannt, läuft von der Flugvorbereitung über die Flugdurchführung bis zur Flugnachbereitung. Einen Teil dieser Items definiert der Flugzeughersteller, einen anderen Teil der Operator. Wir nennen die von uns definierten Verfahren eOps, sie sind in einer eigenen Verfahrensbeschreibung, dem eOps Manual, beschrieben. eOps wird cockpitseitig durch zwei Systeme realisiert: Electronic Flight Bags & Datalink. In allen Flugzeugen der Airline werden EFB & Datalink eingesetzt. EFBs werden immer und Datalink zunehmend über die äußeren Bildschirme bedient. Ursprünglich getrennt, wachsen EFBs und Datalink immer weiter zusammen. Datalink Funktionen werden dabei immer häufiger über das EFB aufgerufen; der Direktaufruf wird zum Fallback. Das EFB wird dadurch auch zum Frontend für alle Funktionen und Daten, die außerhalb des Flugzeugs (bodenseitig) über die Cloud bereitgestellt werden.

Cockpitfoto A340
A340 mit montiertem EFB Tablet. Es erhält permanent Daten vom Flugzeug und von der Boden-IT

Behördlich ist festgelegt, dass alles, was man zum sicheren Landen benötigt, im Flugzeug selbst vorhanden sein muss. In der Regel wurde es durch den Flugzeughersteller eingebaut. Man darf nicht ohne eOps starten, aber man kann ohne eOps sicher landen.

Es ist einfach, unwirtschaftlich zu fliegen: Zum Starten nimmt man immer Vollgas, man wählt Flughöhe und Geschwindigkeit nach Gefühl. Muss man woanders als geplant landen, hofft man, dass es passt. Es ist schwer, alles zu optimieren. Die beste Trajektorie durch Zeit und Raum ist nicht konstant, sie ändert sich ständig, weil sich die Rahmenbedingungen wie Winde, Turbulenzen, Verkehrslage, Situation der Anschlussflüge, Gateverfügbarkeiten, etc, ständig ändern. Ohne Connectivity kann ein Flug sich nicht optimieren, denn viele Rahmenbedingungen, z.B. die aktuell in anderen Flughöhen gemessenen Winde, können Sensoren an Bord nicht erfassen. Über EFB & Datalink sind alle am Boden verfügbaren Informationen abrufbar, man kann sich der Idealtrajektorie annähern, Treibstoffverbrauch minimieren und Sicherheit und Passagierkomfort maximieren.


eOps Beispiele

Advanced Airport Moving Map (A-AMM)

Die vor wenigen Jahren eingeführte AMM zeigt den Piloten, wo sie sich auf dem Flughafen befinden. Das Risiko sich zu „verrollen“, was im Falle von Runway Incursions katastrophal enden kann, wurde kleiner. Nächster Schritt ist die Advanced-AMM, die auch Rollfreigaben, Stopp Signale und anderen Verkehr zeigt und dem Piloten so ein vollständiges Verkehrslagebild vermitteln kann.

Screenshot einer Karte des Frankfurter Flughafens, mit Anzeige des Rollverkehrs

En-Route Chart mit Wetter

Zur lateralen Optimierung der Trajektorie können Wolken und Gewitterdaten auf der Streckenkarte genauso eingeblendet werden, wie z.B. die Flugspuren früherer Flüge, um zu sehen, ob diese Abkürzungen erhielten, die man eventuell anfragen kann. Auch lassen sich inzwischen Flughäfen basierend auf ihrer NOTAM und Wetterlage einfärben und man kann auf diese Informationen sehr einfach kontext-sensitiv zugreifen.

Screenshot Route Manual mit Wetter

Flight Profile Optimizer (FPO)

FPO erlaubt Piloten die vertikale Optimierung ihrer Trajektorie, basierend auf neuesten Wind-, Temperatur und Turbulenzinformationen. Denkbar ist, auch Verkehrsinformationen hier zu integrieren und FPO zu einem Airspace Traffic Management System auszubauen. In der optimalen Nutzung des knappen Luftraums steckt ein hohes Einsparpotenzial.

Screenshot Flight Profile mit Turbulenzanzeige

Electronic Flight Folder (eFF)

Eine chronologische Sicht auf den Flugplan bietet das Nav Log des eFF. Piloten gleichen hier den tatsächlichen Flugverlauf live mit dem Plan ab und behalten z.B. die Treibstoffreserven im Blick. Eine zukünftige Version des Nav Logs wird Funktionalität für das In-flight Decision Making (IDM) beinhalten und so Piloten bei Diversion Entscheidungen unterstützen.

Screenshot eFF mit Navlog Anzeige

List of Airports (LoA)

Bei Diversion Entscheidungen unterstützt auch die neue LoA App. Sie bietet einen sehr einfachen und schnellen Zugriff auf Flughafen-Informationen. Denn es ist eher ungünstig, wenn man z.B. wegen eines herzkranken Passagiers in Nord-Kanada zwischenlandet und erst dort erfährt, dass es dort kein Krankenhaus gibt.

Screenshot LoA App mit Event-Anzeige

eDesk

eDesk vereint Benutzeroberflächen für viele kleinere flugoperative Prozesse. So kann man dort z.B. den Enteisungsprozess initiieren. Geplant ist, immer mehr dieser Prozesse vollständig über eDesk abzuwickeln. Bei einer Enteisung könnte man z. B. auch die Berechnung von Holdover Zeiten oder das De-Icing Reporting über eDesk abbilden.

Screenshot eDesk

Low Noise Augmentation System (LNAS)

LNAS ist ein displaybasiertes Assistenzsystem, das die Piloten bei der Ausführung lärm- und kerosinoptimierter Anflüge unterstützt. Aktuell nutzen 25 ausgewählte Piloten das LNAS-Assistenzsystem zur Vorerprobung im regulären Flugbetrieb bei der Durchführung von Anflügen. Sobald alle Rahmenbedingungen erfüllt sind, soll die Erprobung auf die gesamte Flotte ausgeweitet werden.


Live Data Streaming (LDS)

Es gibt viel mehr, als die hier exemplarisch gezeigten Anwendungen. Und eOps beschränkt sich nicht auf „Informationsdienste für Piloten“, sondern umfasst viel mehr. Ein modernes Verkehrsflugzeug kann ca. 20.000 Parameter bereitstellen. Diese während des Fluges live zum Boden zu senden, wurde 2017 schon getestet. Piloten können dadurch neue Services angeboten werden. So ist denkbar, dass sich bei technischen Problemen ein Troubleshooter aus diesen Livedaten ein exaktes Bild des Problems machen und so die Piloten bei ihrer Entscheidung optimal beraten kann. Ähnlich könnte sich ein Mission Supporter viel besser als heute in die an Bord vorherrschende Situation hineinversetzen und so situativ angemessener, quasi wie ein dritter Pilot im Cockpit, unterstützen.


Fazit

Digitalisierung im Flugbetrieb ist vielschichtig. Abschaffung von Papierformularen bei Check-Ereignissen gehört genauso dazu, wie moderne Reporting Systeme oder die elektronische Dienstplanänderung. Aber im Zentrum eines Flugbetriebs steht die Operation. eOps ist die Klammer über alle Projekte zur Digitalisierung unserer flugoperativen Kernprozesse. Wir digitalisieren den gesamten Prozess „Flug durchführen“, von Aircraft Power On, bis nach Setzen der Parkbremse und dabei vernetzen wir alle Akteure. eOps ist unsere Industry 4.0. Wir digitalisieren schon lange, aber mit eOps haben wir gerade erst begonnen.




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