Ein Essay von Andreas Ritter, 30. April 2018
Warum nutzen so viele Menschen Amazon? Amazon macht nicht die besten Preise, aber es ist sehr einfach, bei Amazon einzukaufen. Amazon macht keine falschen Versprechungen, hält z.B. Liefertermine ein, informiert proaktiv und umfassend. Wenn eine Ware nicht gefällt, so kann man sie sehr einfach zurückgeben. Andere Versender bieten ähnliches, aber es mangelt an Effizienz, Eleganz und Einfachheit. Manche machen das für sie Lästige schwer, schicken Kunden in die Telefonschleife, versuchen sie davon abzubringen, Waren zurückzusenden oder zu reklamieren. Ich habe schon oft Waren an Amazon zurückgesendet, dabei aber noch nie mit einem Menschen gesprochen. Und doch hat Amazon zehntausende Mitarbeiter. Sie arbeiten hinter den Kulissen, hinter der Website, dem wichtigsten Interface zum Kunden. Die Website ist die Benutzeroberfläche, dahinter versteckt sich eine gewaltige, komplexe Maschinerie.
Grosse Fluggesellschaftgen sind auch komplex. Komplexität ist nicht schlecht. Komplexität erlaubt Optimierungen. Bis in die 1980er Jahre hinein, wurden TakeOffs mit Max Power durchgeführt. Das war sehr einfach und sehr ineffizient. Dann haben wir mit Runway Way Charts die Komplexität erhöht und 20 Jahre später mit TOPAS noch viel mehr. Optimierungen führen zu Effizienz und Effizienz ist gut. Aber Komplexität an der Oberfläche ist hässlich und schlecht und muss vermieden werden. Ein Kunde, egal ob intern (z.B. Pilot) oder extern (z.B. Fluggast), darf die zur Erzielung von Effizienz notwendige Komplexität niemals sehen.
Meine These: „Ein Kunde möchte selbst seine Wünsche einfach und schnell erfüllen.“
„Selbst“ heißt, dass keine fremde Hilfe nötig ist. Der Pilot muss nicht mehr den Navigator, Flugingenieur, Meteorologen, Techniker, Dispatcher oder Lotsen fragen, sondern kann auf die gewünschte Information selbst zugreifen, und sie ist so aufbereitet, dass er sie ohne deren Fachkenntnis interpretieren kann. Analog muss der Fluggast nicht mehr ins Reisebüro oder an den Check-In Schalter, und er muss auch nicht mehr den Purser nach dem Gate oder seinen Anschlussflug fragen. „self-service“ hieß früher, dass man selbst etwas machen muss, was bei „full-service“ ein Anderer für uns gemacht hat. Das ist nicht gemeint. Digitalisierung erlaubt die Selbst-Erfüllung eines Kundenwunsches, während man früher einen Menschen dazu bringen musste, es zu tun. Gemeint ist die Unabhängigkeit von der Verfügbarkeit anderer Menschen und deren Wohlwollen. „New Premium“ definiert sich nicht über den angereichten Kaviar, sondern über die durch die Digitalisierung möglich gewordene Selbstgestaltung und dadurch entstehende Effizienz.
„Seine“, weil Wünsche heute individueller erfüllt werden. Menschen sind unterschiedlich. Selbst in einer so homogen selektierten Gruppe wie Piloten gibt es ganz unterschiedliche Informationsbedürfnisse, die individuell befriedigt werden müssen, wenn man ein bestimmtes Verhalten erzielen möchte. Der Eine benötigt umfangreichere Informationen als der Andere, um zur Überzeugung zu gelangen, dass der Flug sicher durchgeführt werden kann. Standardisierung bleibt wichtig, um ausufernde Wünsche und die sie verursachende Komplexität zu vermeiden, aber die Leitplanken, die den Korridor des akzeptablen Handelns definieren, können heute dank IT weiter auseinanderliegen, als früher, als der Weg prozessbedingt exakt vorgegeben wurde und in Folge dessen sich der Mensch an den Prozess anpassen musste, was der menschlichen Natur widerspricht und dazu führen kann, dass sich der Einzelne als Rädchen eines anonymen Systems verloren fühlt.
„Einfach“ heißt, dass die Benutzeroberfläche intuitiv (d.h. ohne Studium eines Handbuchs) genutzt werden kann und dass die Ergebnisse den Wünschen entsprechen, also nicht überraschen.
„Schnell“ , weil die früher üblichen Prozesslaufzeiten keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden. Fluggäste und Piloten erwarten schnellstmögliche Bestätigungen und Umsetzung ihrer Aktionen, sei es eine Sitzplatzauswahl oder die Anforderung eines neuen operativen Flugplans. Digitalisierung, also die Herausnahme menschlicher Operatoren aus dem Prozessfluss, führt zur Prozessbeschleunigung. Erwartungshaltung ist, dass der Kunde auf das Ergebnis warten kann, dass höchstens einige Sekunden zwischen Anforderung und Ergebnis liegen. „Schnell“ ist ein digitaler Prozess, wenn es nicht Sekunden, sondern nur Millisekunden sind, die der Kunde auf Erfüllung warten muss.
Ein Verkehrspilot verbringt den Großteil seines Arbeitslebens im Cockpit. Wie bei fast allen Berufen wandelt sich auch der des Piloten durch den technischen Fortschritt. Früher separate Rollen wie Funker, Navigator, Flugingenieur (und teilweise auch Stationsmechaniker und Rampagent) wurden in die Aufgaben des Piloten integriert. Am Boden mag sich durch diese Integrationen die Arbeitslast der Piloten erhöht haben, während des Fluges ist sie trotz allem eher gesunken. Und dies, obwohl die Verkehrsdichte und Erwartungen an Effizienz und das zu erzielende Sicherheitsniveu anstiegen. Ermöglicht wurde dies durch verbesserte Benutzeroberflächen im Cockpit. Das Cockpit der Super Conny erforderte ein Team verschiedener Spezialisten. Ein modernes Cockpit hingegen hat eine einfache Benutzeroberfläche, welche die Komplexität verbirgt. Dies erlaubt die Steuerung moderner Verkehrsflugzeuge durch nur zwei Piloten.
Tendenziell wird die Arbeitslast der Piloten durch Verbesserungen der Benutzeroberfläche weiter sinken. Im Reiseflug gibt es schon heute fast immer viel zu wenig zu tun. Dies weckt den Wunsch weiter zu integrieren. Im Flugbetrieb gibt es neben den Piloten heute noch Dispatcher und Lotsen und es ist unklar, wer hier wen integrieren wird: Es gibt Konzepte für das Fliegen ohne Lotsen und Dispatcher und für das Fliegen ohne Piloten, wobei die Flugzeuge entweder durch das OCC oder die Flugsicherungen ferngesteuert würden.
Piloten nutzen im Cockpit zwei Benutzeroberflächen: Das klassische Cockpit und das EFB. Versuche, das klassische Cockpit um EFB-Funktionen zu erweitern, wurden von allen Flugzeugherstellern unternommen – und inzwischen eingestellt. Das vollintegrierte „Class 3“ EFB scheiterte (noch vor der iPad Einführung) an seiner Inflexibilität. Damit scheiterte auch der Versuch, die Benutzeroberfläche des klassischen Cockpits auf die EFBs zu erweitern. Stattdessen entwickelte sich auf den EFBs eine eigene Benutzeroberfläche, welche nur wenige Zugeständnisse ans Cockpit macht, aber alle Vorteile moderner Oberflächen-Devices ausschöpfen möchte (z.B. swiping gestures, pinch-to-zoom) und sich an den auf Surface und iPads gebräuchlichen Standards orientiert.
Die in Jahrzehnten bemessenen Entwicklungs- und Nutzungszeiten von Verkehrsflugzeugen und ihrer Cockpits und die weiterhin schnelle Entwicklung von Devices verhindern eine Zusammenführung der Benutzeroberflächen, die Zweiteilung bleibt uns dauerhaft erhalten.
Unter den beiden Oberflächen bleibt auch die Funktionalität zweigeteilt. Das klassische Cockpit deckt das für das Landen nötige Minimum ab. Das EFB alles andere, was man für die FlightOps benötigt. Niemand darf ohne EFB starten, EFBs sind nicht optional, sie sind Minimum Equipment.
Das klassische Cockpit wird vom Flugzeughersteller definiert. Die früher übliche Airline Customization gibt es im klassischen Cockpit nicht mehr. Neben der Benutzeroberfläche werden in diesem Bereich auch die Verfahren 1:1 vom Flugzeughersteller übernommen. Das OM-B entspricht immer mehr dem FCOM. Airlines bringen ihr operationelles Know-how über den Flugzeughersteller ein, der dann Cockpit und Verfahren für alle modifiziert. Damit entfällt eine Differenzierung der Fluggesellschaften durch unterschiedliche Cockpit-Einbauten oder unterschiedliche Flugverfahren.
Flugzeughersteller bauen auch EFBs. Nach dem Scheitern der „Class 3s“ werden EFBs heute separat vermarktet, man kann es mit dem Flugzeug dazukaufen, man kann sich aber auch für das EFB einer anderen Firma entscheiden oder selbst eines bauen oder bauen lassen.
Fluggesellschaften fliegen heute die gleichen Flugzeuge (mit den gleichen Cockpits) nach den gleichen ICAO Regeln und mit den gleichen FCOM Verfahren durch die gleichen Lufträume. Sie differenzieren sich zunehmend über ihre EFBs. Im EFB werden alle von der Boden-IT der Fluggesellschaft erstellten Daten zur Anzeige gebracht. Durch das EFB können Piloten alle von der Fluggesellschaft bereitgestellten operationellen Services abrufen. Durch das EFB erfüllt sich ein Pilot seine flugoperativen Wünsche, einfach und schnell. Es ist die durch die Airline definierbare Oberfläche, durch welche die Airline ihre Operation definiert.
Fluggesellschaften differenzieren sich kaum noch anhand ihrer Flugzeuge, sie unterscheiden sich zunehmend anhand ihrer EFBs. Natürlich unterscheiden sie sich auch anhand ihrer Piloten und deren Können. Aber es gilt eben nicht nur: „a fool with a tool is still a fool“, sondern auch (weniger poetisch) „a maestro without a tool is disabled“. Die Leistungsfähigkeit, die ein Pilot für seine Airline erzielen kann, hängt vom EFB ab. Pilot und EFB sind eine aufeinander abzustimmende Einheit. Höchste Effizienz und höchste Sicherheit werden dann erzielt, wenn das EFB alle Fähigkeiten des Piloten unterstützt und der Pilot alle Fähigkeiten des EFBs optimal ausschöpfen kann.
Dazu muss dem Piloten die Benutzung seines EFBs Spaß machen. Alles, was den Umgang mühsam werden lässt, ist zu vermeiden: Ein hohes Gewicht des Tablets (wenn man es tragen muss), ein im Sonnenlicht zu dunkler Bildschirm, eine träge Bedienoberfläche, Systemabstürze, unerwünschtes oder unvorhersehbares Verhalten. Und natürlich Komplexität an der Oberfläche. Da es sich beim EFB um ein professionelles Tool handelt, ist ein Handbuch vermutlich aus haftungsrechtlichen Gründen erforderlich. Aber man sollte es genauso wenig lesen müssen, wie man zur Nutzung der Amazon Website ein Handbuch lesen muss.
Der Ansatz, dass man Piloten (anders als unseren externen Kunden) sehr wohl eine komplexe Benutzeroberfläche zumuten kann, weil sie ja für ihre Tätigkeit ausgebildet wurden und bezahlt werden, ist falsch, denn er negiert, dass ein Großteil der Beschäftigung mit dem EFB freiwillig erfolgt. Nur ein Minimum wird über SOPs definiert. So wird jeder Pilot für seinen Flug Treibstoff bestellen oder sich eine Anflugkarte vorbereiten. Aber er ist frei in der Entscheidung welche Informationen er vor seiner Treibstoffbestellung aufnimmt und wie umfassend er sich auf den Zielflughafen vorbereitet. Findet ein Pilot die benötigte Information nicht einfach und schnell, so werden sie nicht aufgenommen. Man tankt im Zweifelsfall mehr, lehnt den kurzfristig angebotenen Visual Approach ab oder (noch schlimmer) führt ihn unvorbereitet durch. Piloten sind teuer und die Fluggesellschaft kann durch die Ausgestaltung des EFBs beeinflussen, wie sie diese teure Ressource im Reiseflug nutzen möchte. Piloten im Reiseflug können die vorbeiziehende Landschaft betrachten und an ihre Familie denken oder aber ihren Flug optimieren und schützen. Da die Aufnahme relevanter Informationen eine Voraussetzung für sicheres und effizientes Handeln ist, müssen wir es den Piloten möglichst einfach machen, an die dafür notwendigen Informationen zu gelangen.
Eine intelligente Filterung und Hervorhebung von NOTAMs und Wettermeldungen kann diese Informationen leichter erfassbar machen. Die Oberfläche wird einfacher, die Komplexität der dahinterliegenden IT jedoch größer. Erstellung und Betrieb komplexer Systeme ist administrativ aufwändig. Höhere Kosten in der Administration müssen durch den erzielten Nutzen in der FlightOps überkompensiert werden. Der Nutzen in der FlightOps, z.B. effizientere Flugwege, bessere Fuel Entscheidungen, sicherere Operation, kürzere Turnarounds, skaliert mit der Zahl der Flüge. Eine größere Airline, sollte sich daher eine komplexere IT zulegen, als eine kleinere Airline. Eine Airline Gruppe, bestehend aus größeren und kleineren Airlines, sollte nach dieser Überlegung die komplexeste IT besitzen.
Aber sollte eine Airline oder Airline Gruppe überhaupt ein eigenes EFB erstellen? Wäre es nicht klüger, sich eines zu kaufen, egal ob vom Flugzeughersteller oder von einer der (wenigen) größeren EFB Schmieden? Wenn man das tut, verliert man die Möglichkeit der Abstimmung des EFBs auf die eigene FlightOps, auf eigenes Personal und Kultur. Man verliert Effizienz, Flexibilität, Freiheit. Man sollte es aber dennoch tun, wenn die eigene Airline zu klein für Entwicklung und Betrieb eines komplexen EFBs ist. Auch hier wieder die Analogie von Amazon und dem Internet-Verkauf:
Jeder, der etwas über das Internet verkaufen will, kann sich für wenig Geld eine Website basteln lassen, seinen PDF-Bestellkatalog und sein Bestellformular damit verlinken und auf Kundenfang gehen. Erfolgversprechender ist es für die Kleinen aber, wenn sie sich an einen der großen Store Betreiber, z.B. Amazon oder Ebay, anhängen und deren komplexe Tools für ihr Business nutzen. Auch mittelgroße Unternehmen gehen oft sehr erfolgreich diesen Weg. Nur für die Großen, die mit Amazon und Ebay konkurrieren wollen, ist das kein gangbarer Weg, denn nutzt man deren Tools für den eigenen Kernprozess, so hängt der eigene Kernprozess und damit auch die eigene Existenz vom Wohlwollen des Lizenzgebers ab. Konkurrieren kann man mit dem Lizenzgeber dann nicht mehr.
Auf das EFB übertragen: Nutzt man als große Airline oder Airline Gruppe das EFB einer unabhängigen EFB Schmiede, eines Flugzeugherstellers oder einer konkurrierenden Airline Gruppe, so beschränkt man die Gestaltungsmöglichkeiten seines Kernprozesses FlightOps und begibt sich in die Abhängigkeit einer Firma, die sich zum Konkurrenten entwickeln könnte.
Konkurrenz durch eine EFB Schmiede? Derzeit halten viele Airlines andere Airlines für ihre Konkurrenz. Taxi-Unternehmer sahen früher andere Taxi-Unternehmer und Hotels andere Hotels als Konkurrenz. Die Digitalisierung verschiebt jedoch heute in vielen Branchen die Wertschöpfung in Richtung der Ersteller und Betreiber komplexer IT Systeme. Systeme, die zum Betrieb der physischen Assets (Taxis, Hotels, Flugzeuge) eingesetzt werden. Systeme wie die von Uber, booking.com, Expedia, … Am spannendsten ist hier sicher Uber. Gelingt es dieser Firma, Taxis ohne Fahrer autonom fahren zu lassen, so kann die Zusammenarbeit mit Fahrdiensten und selbständigen Fahrern entfallen – denn deren Geschäftsmodell wird obsolet. Ähnlich könnte es Airlines ergehen, sollten Flugzeuge je autonom fliegen.
Kleinere Airlines haben keine Wahl. Sie werden fremde EFBs nutzen müssen. Es sind die Großen, die sich entscheiden können, ob sie bei der Definition einer überlegenen FlightOps eine gestaltende Rolle spielen, oder sich aus diesem Bereich zurückziehen wollen.
Wie viel Aufwand sollte man bei seinem EFB betreiben? Was lässt sich durch das perfekte EFB gewinnen? Flugzeugeinsatzkosten, Treibstoffverbrauch, Flugsicherungsgebühren und die Personalkosten für die Piloten zählen zu den größten Kostenpositionen einer Airline und sie lassen sich alle durch eine effiziente FlightOps verringern. Auch Investitionen in die Sicherheit zahlen sich bis zu einem gewissen Maße aus. Eine analytische Ermittlung der Einsparungspotenziale und die Ermittlung der EFB-Kosten erscheinen mir möglich. Dabei sind die sich ständig verändernden Randbedingungen im Auge zu behalten. So verringern Behörden nach und nach ihre Vorbehalte gegenüber den nicht-zertifizierten EFBs und erweitern so deren Anwendungsbereiche, z.B. durch Zulassung von Wetter-Apps, Moving Maps, eQRH und Situational Awareness Tools. Auch die technischen Möglichkeiten erweitern sich: Globales Breitband und kostengünstiges Roaming werden verfügbar, Cloud Computing setzt sich durch, Sprachsteuerungen, Augmented Reality Brillen und selbstlernende Algorithmen nähern sich der Einsatzbereitschaft. Auf die neuen technischen Möglichkeiten setzen neue Services auf – bei geschickter Kombination dieser Services kann man ein komplexeres, leistungsstärkeres EFB durchaus mit unterproportional steigenden Aufwänden entwickeln. Denn wie so oft in der IT, hilft viel nicht immer viel. Beim EFB sind Intelligenz und clevere Lösungen gefragt. Geistige Beweglichkeit, Neugier und technischer Experimentier- und Spieltrieb sind für gute EFB Ingenieure wichtiger, als langjähriges Know-how.
Ein gutes EFB macht den Piloten eine leistungsstarke, komplexe flugoperative IT über eine genial einfache Oberfläche zugänglich. Die Entwicklung eines guten EFBs ist teuer. Müssen die Entwicklungskosten von einer Fluggesellschaft oder Airline Gruppe mit nur wenigen Hundert Flugzeugen getragen werden, so besteht das Risiko, von EFB Systemen, deren Entwicklungskosten auf Tausende Flugzeuge verteilt werden können, technisch überholt zu werden. Wenn die eigene Airline oder Airline Gruppe nicht sehr schnell wächst, dann muss man sein EFB an andere Airlines lizenzieren, wenn man auch in Zukunft zu den großen EFB Gestaltern gehören möchte.
Ein Verkehrspilot verbringt den Großteil seines Arbeitslebens im Cockpit. In gewisser Weise handelt es sich um einen äußerst mobilen Mitarbeiter, z. B. wenn man die Zahl seiner Reisen und Hotelübernachtungen mit denen anderer Mitarbeitergruppe vergleicht. Allerdings sitzt er in der Regel an einem Arbeitsplatz, an dem ihm sein Arbeitgeber alles Benötigte bereitstellen kann, auch sein EFB. Das Cockpit eines Flugzeugs hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Leitstand, z.B. in einem Atomkraftwerk. Der Arbeitsplatz eines Piloten unterscheidet er sich grundlegend von dem z.B. eines Müllmanns, Handelsvertreters oder Ablesers der Stadtwerke. Diese gehen keiner sitzenden Tätigkeit vor fest montierten Bildschirmen nach, sondern sie arbeiten stehend an verschiedenen Orten und sie müssen ihre Arbeitsmittel im Stehen oder Laufen nutzen können. Der Ableser nutzt für seine Arbeit nur sein Smartphone. Damit fotografiert er die Zählerstände oder tippt sie in eine App ab und überträgt die Daten per LTE an seine Zentrale. Anders als ein Pilot, reist er nicht nur, sondern er arbeitet mobil. Jeder vielreisende Mitarbeiter hat heute ein dienstliches Smartphone. Am beliebtesten sind 6 Zoll Phablets, die man gerade noch in die Hosentasche stecken bzw. in einer Hand halten und benutzen kann. Telefoniert wird damit nur noch wenig, die Oberfläche einer App ist das Arbeitsmittel. Apps für mobile Tätigkeiten werden zunehmend für solche Geräte optimiert. Der Markt für 10 und 8 Zoll-Tablets ist derzeit hingegen stark rückläufig (digitimes.com, 2018). Zusätzlich zum neuen mobile device Phablet nutzt man in Büros meist noch immer einen Laptop, oder neuerdings ein 12 zölliges „Pro“ Tablet, das sich bei angesteckter Tastatur kaum von einem Laptop unterscheidet. 6 Zoll Phablets sind als EFB im Cockpit zu klein, aber für viele Aufgaben, die auf Piloten außerhalb des Cockpits zukommen, eignen sie sich sehr gut. Jeder Pilot sollte eines haben und über dessen Oberfläche die Services seiner Airline abrufen, die er außerhalb des Cockpits benötigt. Prinzipiell scheint es auch möglich, Phablets im Cockpit mit einem dort fest installierten Bildschirm zu verbinden. Ist das das EFB der Zukunft? Wir wissen es nicht. Im Büro hat sich dieses Konzept bisher nicht durchgesetzt und grundlegende IT-Trends können nicht von der kleinen Airline Branche gestaltet werden. Wir können (müssen) diese Trends nur früh identifizieren und sie dann für die eigene FlightOps nutzbar machen. Dafür benötigt man auch in Zukunft IT-Kompetenz, Zeit für den Blick über den Tellerrand und möglichst wenige Vorgaben seitens zentraler (Non-Flight Ops) IT-Abteilungen.
Benutzeroberflächen werden immer benötigt, wenn Mensch und Maschine ein Team bilden sollen. Werden EFBs überflüssig, wenn Flugzeuge irgendwann einmal weitgehend autonom fliegen? Ich glaube dies nicht. Autopilot managed modes und Auto Thrust nehmen den Piloten während 99% des Fluges das manuelle Fliegen ab, aber die fürs manuelle Fliegen notwendigen Benutzeroberflächen sind noch da. Und sie führen kein verstaubtes Schattendasein, wie der Konsolenzugang eines graphischen Betriebssystems, sondern Primary Flight Display und Side Sticks präsentieren sich dominant im Vordergrund. Ähnlich wird es den EFBs ergehen. Auch wenn sie (in Analogie zum manuellen Fliegen) zukünftig weniger benutzt würden, würden die Anforderung an die Informationsaufbereitung und die Einfachheit der Benutzeroberfläche zur Nutzung der dahinter verborgenen Komplexität weiter steigen. Aber wahrscheinlicher ist, dass EFBs einen immer größeren zeitlichen Anteil der Aufmerksamkeit eines Piloten erhalten werden und auch dadurch steigen die Anforderungen an sie. Selbst die Einführung einer Single Pilot Operation oder eines Flugzeuges ganz ohne Piloten verringert nicht die Wichtigkeit guter EFBs. Nur sind es dann die im OCC stationierten Piloten, die im Bedarfsfall manuell fliegen oder auf EFB Funktionalitäten einfach und schnell zugreifen wollen. Sei es zur Informationsgewinnung vor Eingriffen in die autonomen Einzelflüge oder vor Umsetzung flottenweit wirksamer Maßnahmen. Mit jeder Zentralisierung steigen die Anforderungen an das Team aus Mensch und Maschine, welches durch die Zentralisierung eine größere, verantwortungsvollere Aufgabe bewältigen muss.
Auch die Fluggesellschaft der Zukunft, deren Flugzeuge autonom fliegen, braucht EFBs, die besser sind, als die der Konkurrenz. Die durch die Wörter selbst, seine, einfach und schnell ausdrückbaren Anforderungen an IT sind universell. Für EFBs sind sie besonders wichtig. Heute und auch in Zukunft.